“Polyphone Realitäten in Ostdeutschland – Identitäten. Aktivismus. Communities.” am 04.02.2021

In der damaligen DDR bestand Sprachlosigkeit über die vielfältigen alltagsrassistischen Erfahrungen. Es gab keine bis wenig Worte, den strukturellen Rassismus zu beschreiben, was die Netzwerkarbeit auf Basis gemeinsamer Erfahrungen erschwerte. Mit dem Mauerfall zeigte sich abermals eine Kontinuität in der Zentrierung weißer Erzählungen und Narrative. In Bezug auf Wendeerfahrungen waren die Stimmen von nicht-weißen und migrantischen Menschen – die Stimmen derjenigen, die von der rassistischen und rechtsextremer Gewalt betroffen waren, vom öffentlichen Diskurs über die (Sch-)Einheit ausgeschlossen und unwahrnehmbar gemacht. Auch heute wird diesen Stimmen wenig Raum in der Erinnerung an die Wendezeit eingeräumt – das hat Auswirkungen auf die nicht-weißen, migrantischen Communities in Ostdeutschland.
Gemeinsam mit unseren Gesprächspartner:innen Peggy Piesche, Stefanie-Lahya Aukongo und Katharina Warda werden wir der Frage nachgehen, inwiefern Verbindungen zwischen ostdeutschen Sozialisationen und intersektionalem Erinnern sowie Aktivismus geknüpft werden können.Dabei möchten wir künstlerischere als auch wissenschaftliche Perspektiven vereinen und mit euch zusammen Visionen von und für Ostdeutschen Communities und Aktivist:innen artikulieren.Die Veranstaltung ist offen für alle Interessierte! Eine konkrete Einladung sich an unserem Panel zu beteiligen, richtet sich an Aktivist:innen in und aus Ostdeutschland. Durch die Einrichtung einer bpb Stelle in Gera, Thüringen, besteht die Möglichkeit konkret über Herausforderungen, Wünsche und materielle Mittel zu sprechen.Moderiert wird die Veranstaltung von Mirjam Elomda und Maresa Nzinga Pinto.

 

Wir freuen uns auf den Austausch mit Euch bei unserer letzten virtuellen Veranstaltung “Polyphone Realitäten in Ostdeutschland – Identitäten. Aktivismus. Communities.” aus der Reihe “Grenzenlos und Unverschämt – das künstlerische, aktivistische und wissenschaftliche Wirken May Ayims” am 04.02.2021 um 19.30 Uhr.

Die Veranstaltung wird in deutsche Gebärdensprache gedolmetscht .

Zoom-Link: https://uni-jena-de.zoom.us/j/96547929567
Meeting-ID: 965 4792 9567
Kenncode: 364477
Der Raum wird ab 19:20 Uhr offen sein.

Offener Brief an die Stadt Eisenberg bezüglich des „Eisenberger M*****festes“ 2020

Als Teil des Bündnisses und unterzeichnende Gruppe teilen wir den Brief, welcher hier veröffentlicht ist, auf unserem Blog. Er darf gerne noch weiter verbreitet und auch unterzeichnet werden (siehe Ende des Briefs).

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Im Mai 2019 hat die Stadt Eisenberg erstmals ihr jährliches Stadtfest unter dem rassistischen Titel „Eisenberger M*****fest“ veranstaltet. Während Vertreter*innen der Stadt zum Ausdruck gebracht haben, dass die Veranstaltung Weltoffenheit und Toleranz signalisieren soll, steht die Namensgebung doch in einem unauflösbaren Widerspruch mit diesem selbsterklärten Ziel. Die Bezeichnung „M***“ ist untrennbar mit der Geschichte des europäischen Kolonialismus und Rassismus verknüpft, weshalb sie Schwarze Menschen diskriminiert und verletzt und damit unvereinbar mit den von der Stadt proklamierten Werten der Offenheit, des gegenseitigen Respekts sowie der Achtung und Würde aller Menschen ist.

Verschiedene Initiativen, Beratungsstellen, Beiräte, Netzwerke und Einzelpersonen, darunter Landtagsabgeordnete aus dem Saale-Holzland-Kreis wie auch darüber hinaus kritisierten entsprechend schon 2019 die Namenswahl für das Stadtfest und fordern nun mit diesem offenen Brief die Veranstaltenden erneut auf, die Veranstaltung nicht nochmals unter der bestehenden Bezeichnung stattfinden zu lassen. Die durch Corona bedingte Absage des Festes 2020 ist aus unserer Sicht eine Chance dafür, dass sich die diskriminierende Bezeichnung des Festes nicht weiter verfestigt. Die Unterzeichnenden dieses Briefes möchten die Stadt hiermit zu einem Gespräch einladen, in dem mögliche alternative Namensvorschläge und Gestaltungen des Festes gemeinsam diskutiert werden, welche dem besagten Anliegen der Veranstaltenden gerechter werden können.

Es gibt viele gute Gründe, warum die Bezeichnung „M***“ weder im Allgemeinen, noch für ein Stadtfest verwendet werden sollte: Der Begriff geht sowohl auf das lateinische „maurus“ („schwarz“, „dunkel“, „afrikanisch“) als auch das altgriechische „moros“ („töricht“, „einfältig“, „dumm“ und auch „gottlos“) zurück. Im Laufe der Geschichte wurde das Wort für verschiedene Bevölkerungsgruppen benutzt, diente jedoch spätestens seit dem 18. Jahrhundert dazu, Schwarze Menschen auf ihre Hautfarbe sowie weitere physische Merkmale zu reduzieren und herabzuwürdigen. Die kolonialen und rassistischen Bilder und Assoziationen, die so untrennbar mit dem Wort „M***“ verbunden sind, stehen nicht nur in fundamentalem Widerspruch zu der von der Stadt proklamierten Botschaft des Festes, sondern insgesamt zu den demokratischen Werten einer modernen Gesellschaft. Die aktuelle Bezeichnung des Stadtfestes wäre damit auch kritikwürdig, wenn sie eine langjährige Tradition besäße. Es ist jedoch umso erschreckender, dass es sich bei dem „Eisenberger M*****fest“ um eine Neubenennung handelt.

Über die Bezeichnung des Stadtfestes hinaus war die letztjährige Veranstaltung an verschiedenen Stellen von exotisierenden Darstellungen Schwarzer Menschen in Form von Verkleidungen, z.B. als unterwürfige Diener*innen, und dem dunklen Übermalen der Haut Weißer Menschen („Black Facing“) geprägt. Es wurde eine Palette von Produkten angeboten, die den rassistischen Begriff wiederholten (M*****-Kaffee, M*****-Küsse, M*****-Bier etc.), und zudem wurde auf der Hauptbühne mehrfach ein Theaterstück aufgeführt, das die sogenannte „M*****-Sage“ aus Eisenberg aufgriff. Darin wird die Geschichte eines versklavten, namenlosen Schwarzen Kindes erzählt, das die Gräfin von Eisenberg unterhalten sollte. Während der Aufführung wurden immer wieder Kinder im Publikum aufgefordert, die rassistische Fremdbezeichnung „M***“ zu rufen und zu singen. Anstatt den historischen Hintergrund dieser Geschichte zu beleuchten und auf das Unrecht der Versklavung einzugehen, wurde beim Stadtfest 2019 in Eisenberg von einem „Waisenkind“ berichtet, das der Eisenberger Graf von einer Reise mitgebracht hätte. Eine derartige Erzählung der Sage verharmlost den Handel mit versklavten Menschen und die Bedingungen ihrer Unterdrückung.

Wie eingangs zum Ausdruck gebracht, möchten wir die Stadt Eisenberg bei dem weiteren Umgang mit dem Stadtfest unterstützen und dazu beitragen, gemeinsame kurzfristige sowie langfristige Problemlösungsvorschläge zu entwickeln. Neben der Umbenennung des Festes fordern wir von der Stadt Eisenberg die Bildung einer Arbeitsgruppe, in der politische Selbstvertretungen von Schwarzen Menschen in Deutschland sowie aktivistische Gruppen, die sich mit der Aufarbeitung lokaler Kolonialgeschichten beschäftigen, zentral mitarbeiten.

 

Unterzeichnende Organisationen und Personen

  • Antifaschistisch – Initiativ – Solidarisch (AIS) – Saale-Holzland-Kreis
  • Mimikri e.V. – Eisenberg
  • Libertas Subcultura e.V. – Hermsdorf
  • Stünzmühle e.V. – Petersberg
  • Muna e.V. – Bad Klosterlausnitz

 

  • Iberoamérica e.V. – Jena
  • ANSOLE e.V. – Jena
  • decolonize jena!
  • Sandro Witt (Mobit e.V.)
  • MigraNetz Thüringen
  • Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) – Gruppe Thüringen
  • Decolonize Erfurt
  • ezra – Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen
  • thadine – Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk
  • Bund Deutscher Pfadfinder_innen Landesverband Thüringen
  • SJD – Die Falken Landesverband Thüringen
  • Naturfreundejugend Thüringen
  • DGB-Jugend Thüringen
  • Refugee Law Clinic, Jena
  • Dr. Matthias Quent (Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft)
  • LSVD Thüringen e.V.
  • dindingo-Gambia e.V. – Erfurt
  • Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
  • Berater*innenkreis Runder Tisch für Demokratie Jena
  • NSU KOMPLEX AUFLÖSEN Jena
  • Jugend gegen Rechts – Jena
  • Ausländerbeirat der Stadt Erfurt
  • Ausländerbeirat der Stadt Weimar
  • Migrations- und Integrationsbeirat der Stadt Jena
  • Eine Welt Netzwerk Thüringen e.V. (EWNT)
  • Landesseniorenrat Thüringen

 

  • DaMost – Dachverband der Migrantenorganisationen in Ostdeutschland
  • Anton-Wilhelm-Amo-Bündnis – Halle (Saale)
  • Halle Postkolonial
  • Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt
  • Landesnetzwerk Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt e.V. (LAMSA)
  • Initiative 12. August – Merseburg
  • AG Postkolonial Leipzig
  • transgalaxia e.V. – Leipzig
  • Dresden Postkolonial
  • MigraNet-MV
  • Rostock Postkolonial
  • Postcolonial Potsdam
  • Berlin Postkolonial e.V.
  • Augsburg Postkolonial – Decolonize Yourself
  • Bielefeld postkolonial
  • Decolonize Hannover
  • Gießen Postkolonial
  • Decolonize Cologne
  • bonn postkolonial
  • Amadeu Antonio Stiftung

Es ist weiterhin möglich, diesen Offenen Brief durch Unterzeichnung zu unterstützen. Dazu bitte eine Mail an info@thadine.de schicken. Eine regelmäßig aktualisierte Version mit allen Unterstützer*innen ist auf der Seite des Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerks (thadine) verfügbar: https://www.thadine.de/.

AUFRUF zur Online-Aktion anlässlich May Ayims 60. Geburtstag am 3. Mai: grenzenlos und unverschämt

grenzenlos und unverschämt – so lautet der Titel eines Gedichts von May Ayim. Ein Gedicht über Rassismus im Alltag und den immer wiederkehrenden Kampf um die Anerkennung von Schwarz-Sein in Deutschland. Mit ihrer Lyrik und ihrer politischen Aktivität als Mitbegründerin der afrodeutschen Frauenbewegung (ADEFRA) in den 1980er Jahren und als Vorkämpferin der Neuen Schwarzen Bewegung in Deutschland widmete sie sich einer kritischen Auseinandersetzung mit Rassismus und dem Umgang mit der kolonialen Vergangenheit. Außerdem arbeitete sie im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit u.a. zu machtkritischer Pädagogik. Sie machte auf afrodeutsches Leben aufmerksam, schrieb afrodeutsche Geschichte – dieser Geschichte und May Ayim möchten wir an ihrem Geburtstag gedenken.

Am Sonntag, den 03. Mai 2020, würde May Ayim 60 Jahre alt werden, hätte sie sich nicht 1996 im Alter von 36 Jahren das Leben genommen. Ihr Wirken, ihre Gedichte, ihre Forschung und ihre politische Arbeit leben weiter und inspirierten uns zu einer Onlineaktion. Denn ihr Schreiben scheint (mal wieder) aktueller denn je.

Wir möchten euch aufrufen, mitzumachen und gemeinsam May Ayim als Dichterin, Pädagogin und politischer Aktivistin zu gedenken und somit auf Lebensrealitäten aufmerksam zu machen, die von ausgrenzenden Sichtweisen und Denkstrukturen bedroht sind. Wir wollen sie für sich sprechen lassen und nicht für sie sprechen, denn ihre Stimmen sind laut. Doch sie müssen gehört werden.

Schnappt euch Pappe und Transparente, beschreibt und bemalt sie mit Auszügen aus May Ayims Gedichten oder anderen Sprüchen, hängt sie an euren Balkon oder aus eurem Fenster, macht ein Foto davon und schickt es uns!

Also:
Am Sonntag, den 03. Mai 2020, sollen in Jena Plakate und Transparente hängen, um May Ayim zu gedenken. Damit wir auch online Aufmerksamkeit erzeugen können, schickt uns bitte ein Foto von euren aufgehängten Plakaten oder Transpis bis Samstag, den 02. Mai 2020 an decolonize-jena [ät] riseup.net.

Wir freuen uns drauf!

PS: Später im Jahr, wenn wieder Veranstaltungen erlaubt sein werden, wollen wir May Ayims Wirken und Leben in den Fokus einer eigenen Veranstaltungsreihe stellen. Wir halten euch auf dem Laufenden.

Kontakt

Wir sind erreichbar per E-Mail unter decolonize-jena [at] riseup.net oder auf Facebook: https://www.facebook.com/decolonize.jena/