Über uns

Wir sind eine selbst organisierte politische Gruppe, die auf einen kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit kolonialen Verhältnissen in Vergangenheit und Gegenwart hinwirken will. Manche von uns studieren, andere (lohn-)arbeiten in unterschiedlichen Berufen, wieder andere gehen vor allem unbezahlten Tätigkeiten nach – das Anliegen nach einer kritischen Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit und nach einer Bekämpfung der in deren Folge entstandenen Ungleichheiten und Ausbeutungsverhältnisse in der Gegenwart bringen uns zusammen.

Wir betrachten und kritisieren Kolonialismus als eine historische und gegenwärtige Herrschaftsform, die sich in staatlichen Institutionen und gesellschaftlichen Strukturen ausdrückt, aber auch ganz alltägliche Dimensionen hat. Eine Herrschaftsform, die untrennbar mit Unterdrückung und Gewalt verbunden ist und auf globaler Ebene, aber auch lokal wirkt. Kolonialismus und Rassismus prägen die Welt seit 500 Jahren. In diesen Jahrhunderten haben Menschen aus Europa Millionen Menschen auf der ganzen Welt enteignet, versklavt und ermordet. Das hat nicht nur in den kolonisierten Gesellschaften, sondern auch hier, in unseren Denk- und Gesellschaftsstrukturen tiefe Spuren hinterlassen und prägt die Welt bis heute. Dennoch und gerade deshalb ist Kolonialismus als Thema in Europa wenig sichtbar und wird in der Mehrheitsgesellschaft kaum thematisiert. Auch in Jena wurde und wird wenig über Kolonialismus gesprochen, obwohl er auch hier viele Spuren hinterlassen hat und hinterlässt.

Diese Spuren wollen wir sichtbar machen und uns einsetzen für einen verantwortungsvollen und kritischen Umgang mit ihnen. Wir streben eine öffentliche Auseinandersetzung in Jena an und wollen unseren Teil dazu beitragen. Wir setzen uns damit auseinander, wie Kolonialismus und Rassismus uns selbst, unser Denken und unsere Institutionen geprägt haben und prägen. Wir erwarten eine solche Auseinandersetzung von allen Menschen in dieser Stadt, die nicht ohnehin schon jeden Tag die negativen Folgen von Kolonialismus und Rassismus spüren. Insbesondere fordern wir diese von den Entscheidungsträger*innen in Stadt, Universität und den hiesigen Unternehmen. Verantwortungsübernahme darf kein Lippenbekenntnis bleiben und muss sich auch ganz konkret zeigen.

Seit Europa begonnen hat, andere Teile der Welt zu unterwerfen, kämpfen viele Menschen – ob unmittelbar betroffen oder nicht – gegen Kolonialismus, Rassismus und ihre Folgen. So kämpfen Bündnisse wie „Völkermord verjährt nicht“ seit Langem um Anerkennung und Entschädigung für die deutschen Kolonialverbrechen. Auch viele gegenwärtige Kämpfe wie für Bewegungsfreiheit und Klimagerechtigkeit hängen unmittelbar mit den kolonialen Verhältnissen zusammen. Wir solidarisieren uns mit diesen Kämpfen und möchten sie nach Kräften unterstützen. Viele von uns sind überhaupt erst durch diese Kämpfe auf das Thema aufmerksam geworden.

Rassismus kategorisiert und markiert u. a. mit Hilfe von „Hautfarben“ – ob wir das (wahr haben) wollen oder nicht. Diese Markierungen sind mit Fragen von Macht und Diskriminierung verknüpft und beeinflussen, welche Erfahrungen wir in der Gesellschaft (nicht) machen. Die meisten aus unserer Gruppe werden als weiß[1] wahrgenommen und kategorisiert und das beeinflusst und beschränkt unsere Perspektive. Wir wissen, dass wir in dieser Auseinandersetzung auf die Perspektiven von Schwarzen Menschen und Menschen of Colour angewiesen sind. Wir wollen keine mehrheitlich weiße Gruppe bleiben und bemühen uns, strukturell offen zu sein.

Durch unsere politische Arbeit wollen wir zum Nachdenken und Hinterfragen anregen. Ein wichtiger Teil unserer Aktivitäten ist Bildungsarbeit. Wir organisieren Stadtrundgänge, Vorträge und Diskussionsrunden und möchten als Gruppe für diese Themen in Zukunft gerne noch sichtbarer sein.

Decolonize Jena! … und darüber hinaus

 

[1] Rassismus unterteilt Menschen in weiß und nicht-weiß (mit vielen Unterstufen). Die Zuordnung einer Person kann je nach Kontext unterschiedlich ausfallen. Deshalb sprechen wir nicht von Hautfarben oder Herkünften. Stattdessen bezeichnen wir weiß und Schwarz als soziale Zuordnungen, die Menschen mit unterschiedlichen Möglichkeiten an sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Teilhabe, ausstattet. Das soll auch die Schreibweise (kursiv bzw. mit Großbuchstaben) zeigen. Schwarz ist eine Bezeichnung, die viele nicht-weiße Menschen für sich als Selbstbezeichnung nutzen.